Georg Braun, Franz Hogenberg
In insgesamt 6 Bänden sind in dieser Ausgabe mehr als 500 Stadtansichten und Pläne, Karten für die gesamte Welt enthalten. Es sind die qualitativ schönsten und umfangreichsten Stiche und Karten dieser Art des 16. Jahrhunderts.Im 16. Jahrhundert waren Reisen selbst für Reiche kaum erschwinglich. Umso wirkungsvoller schlug damals eine Kartensammlung ein: Ansichten von den Städten der Welt, und revolutionär neu, perspektivisch gezeichnet.
Kompendium „Civitates orbis terrarum“
Das Kompendium „Civitates orbis terrarum“, dass der Theologe und Herausgeber Georg Braun und der Kartograf Franz Hogenberg zwischen 1572–1617 in Köln veröffentlichten, war der erste Städteführer der Welt in Buchform – eine Sensation in sechs Bänden.Die Erstausgabe wurde zum Verkaufsschlager. Ab 1587 wurden die Bände auch auf der Frankfurter Buchmesse angeboten.
Realistisch und Maßstabgetreu:
Es ist unklar, wie die beiden Künstler das geschafft haben: Die Karten, nach Augenschein gefertigt, sind manchmal präziser als heutige Satellitenaufnahmen. Sie sind realistisch und maßstabgetreu wiedergegeben und in ihrer Genauigkeit schlicht verblüffend. Denn Braun und Hogenberg probierten etwas Neues aus und schufen damit etwas für die damalige Zeit Revolutionäres: Sie führten die Perspektive in die Kartografie ein. Die Ansichten, die sich dadurch den Betrachter bieten, empfanden die Menschen der frühen Neuzeit beinahe als ein Wunder. Für sie war dieser Blick revolutionär, so revolutionär wie für uns noch vor wenigen Jahren die Satelliten-Perspektive auf die Welt.
Kavaliersperspektive
Die Karten sind aus der so genannten Kavaliersperspektive, d.h. von einem erhöhten Standort aus gezeichnet, sei es vom Pferd (Kavalier = Reiter) oder von einem „Kavaliersturm“ in Festungsanlangen. Doch diese Kavaliersperspektive entspricht auch einer geometrischen Formel, die der Mathematiker Bonaventura Francesco Cavalieri (1598-1647) ersonnen hatte: Durch die Verkürzung der Seitenlängen kann mathematisch eine Vogelschau berechnet werden. Und so konnten die Menschen der damaligen Zeit Städte von oben bewundern ohne sie überfliegen zu können.
Auswahlkriterien:
Auswahlkriterium für Braun und Hogenberg war nicht nur die Größe einer Stadt, sondern auch ihre historische, wirtschaftliche oder politische Relevanz. Und so sind Karten von Fulda mit dem Heiligen Bonifatius, die Pfalz Karl des Großen in Fritzlar sowie Marburg, berühmt wegen der Heiligen Elisabeth, aber auch wegen seiner Universität, vorhanden. Sogar Frankenberg ist verzeichnet, damals eine aufstrebende Handelsstadt, deren wohlhabenden Bürger schick mit der neuesten Mode bekleidet sind. Die Stoffe kamen aus dem hessischen Eschwege – auch einer Karte würdig -, weil die Stadt in der Tuchproduktion von weit überregionaler Bedeutung war.
Erzählende Karten:
Die Karten erzählen – anders als die heutigen Satellitenschnappschüsse – Geschichten. Landschaften, Handel, Mode oder Verkehr, aber auch Kriegsszenen führen dem Betrachter das damalige Leben vor Augen.
Mandeln werden im italienischen Terracina geerntet, Thunfische – auch heute noch – an der spanischen Küste in Cádiz gefangen. Und Modebegeisterte konnten sich informieren, was die Damen und Herren in den anderen Weltstädten so trugen, in Köln oder in London – oder im deutlich freizügigeren Venedig. Der Blick zum amerikanischen Kontinent mit Mexiko-Stadt oder zum Vorderen Orient nach Jerusalem brachte ein wenig Exotik in die heimische Alltäglichkeit. Diese Details sind es, die diese Kupferstich-Sammlung so herausragend machen.