Die Urkatastrophe ?schmidt30

Der Dreißigjährige Krieg wird oft auch als die “deutsche Urkatastrophe” bezeichnet. Warum ist dieser Krieg – auch nach zwei Weltkriegen -aber noch immer so tief ins öffentliche Gedächtnis eingebrannt? Dies hat religiöse, politische und zeitgeschichtliche Ursachen. Denn insgesamt
dürfen wird nicht ein solch düsteres Bild dieser Epoche zeichnen.
Natürlich gehen drei Jahrzehnte Krieg nicht folgen- und spurenlos an den Menschen vorüber. Aber die Metaphern von der “Urkatastrophe”, die Bilder von einem Deutschland, das wüst und leer, ausgeplündert und politisch ohnmächtig ist, das sind Erfindungen des 19. Jahrhunderts.
Sie liefern die düstere Folie, vor der der Aufstieg erst Preußens und dann des geeinten Deutschlands umso kräftiger erstrahlt. Das erstaunliche: Diese Bilder wirken auch nach dem Untergang der Hohenzollern weiter. Der Westfälische Frieden wird als Siegfrieden à la Versailles
gedeutet, der Deutschland zum Spielball ausländischer Mächte machte. Vor allem aber die Vorstellung einer Wüstenei, eines Landes, das”ganz und gar verheeret” ist, das ökonomisch um 100 oder gar 200 Jahre zurückgeworfen wurde, die prägen bis heute das Bild vom Dreißigjährigen Krieg.

Weg der Aufklärung

Doch: Der Weg zur Aufklärung beginnt im Grauen des Dreißigjährigen Krieges. Und in der Westfälischen Friedensordnung wurden erstmals Freiheitsrechte festgeschrieben. Sie sind das Wurzelwerk der Menschen- und Bürgerrechte. Die Bilanz des Dreißigjährigen Krieges ist nicht total schwarz.

Georg Schmidt ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und weltweit einer der besten Kenner des Dreißigjährigen Krieges.

11. Oktober 2018, 19.00 Uhr, Stadtarchiv

Prof. Dr. Georg Schmidt (Universität Jena): Der Dreißigjährige Krieg. Ein deutscher Mythos.
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